Themenraum 1: Ist Biogas ein Problem, oder ein Teil der Lösung?

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Bioenergie und Flächendruck auf landwirtschaftliche Flächen

Dr. Gerd Reinhold, Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und den ländlichen Raum

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Biogas ist eng mit der Landwirtschaft verknüpft und auch zum Teil prägend für die Agrarstruktur in Deutschland. So sind im Norden und Süden Deutschland die Großviehbestände am dichtesten, die Güllenutzung in den Biogasanlagen jedoch am geringsten. Dadurch haben die Biogasanlagen in diesen Regionen verstärkt Anbauflächen für NaWaRo als Substrat für die Anlage benötigt. Das hat den bereits vorherrschenden hohen Flächendruck aufgrund der intensiven Tierhaltung noch weiter verstärkt und die öffentliche Wahrnehmung von Biogas nachhaltig geschädigt. In diesen Regionen ist eine vermehrte Güllenutzung in Biogasanlagen besonders sinnvoll. In den großvieharmen Regionen wiederum kann Biogas die fehlende Tierhaltung ausgleichen. Dadurch wird der Einsatz von Wirtschaftsdünger verringert und durch den Maisanbau die Fruchtfolge erweitert.

Hauptproblem der geringen Güllenutzung in den Veredlungsgebieten ist die Übernahme der Entsorgungspflicht der Biogasanlagen. Die Entsorgungspflicht ist vor allem bei großen Ställen hinderlich wo hingegen bei vielen kleinen Ställen ein überbetrieblicher Austausch durch die geringe Transportwürdigkeit erschwert ist.

Nachhaltige Landwirtschaft und Bioenergienutzung

Dr. Herbert Barthel, Bund Naturschutz in Bayern/BUND e.V.

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Zum Erhalt der Artenvielfalt muss eine andere Form der Landwirtschaft, die mit weniger Kunstdünger und Pestiziden auskommt, gefunden werden. Mit biodiversitätsfördernden Blühflächen und Wildpflanzen zur Biogaserzeugung können Biogasanlagen dazu beitragen. Die Vergärung von landwirtschaftlichen Reststoffen wie Gülle, Mist und Gräser muss verstärkt genutzt werden, um die Treibhausemissionen der Landwirtschaft verringern zu können.

Biogas besteht zu über der Hälfte aus Methan, ein Gas mit einem Treibhauseffekt 80-mal größer als der von CO2. Für einen Klimanutzen von Biogas muss sichergestellt sein, dass möglichst wenig dieses Gases in die Atmosphäre entweicht (Methanschlupf). Dafür müssen stärkere Grenzwerte gefunden und gesetzlich festgelegt werden.

Wildpflanzenmischungen als Substrat zur Biogaserzeugung

Dr. Andreas Kinser, Deutsche Wildtierstiftung

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In dem Demonstrations-Projekt „Bunte Biomasse“ sollen bis Ende des Jahres 500 ha an mehrjährigen Wildpflanzenmischungen in Deutschland angebaut werden. Großer Vorteil der mehrjährigen Wildpflanzenmischung gegenüber Mais ist, dass die Pflanzen dem Boden wesentlich mehr Stickstoff entziehen können und dieser auch in der organischen Substanz der Pflanze verbleibt. Durch den erhöhten Aufbau an organischen Substanzen im Boden binden die Wildpflanzenmischungen auch wesentlich mehr CO2 als Mais und sind darüber hinaus auch wesentlich beständiger in Trockenjahren als dieser. Die Pflanzenmischung erlaubt auch einen vielfältigen Blühaspekt mit einem frühen Blühbeginn für frühschwärmende Insekten Anfang März bzw. April.

Die Wildpflanzen können jedoch nicht im gleichen Umfang Biomasse liefern wie der Mais. Zum wirtschaftlichen Ausgleich an Biomasseverlust durch die Umstellung auf Blühpflanzen sind ca. 170 bis 450 €/ha und Jahr notwendig. Für eine nachhaltigere Landwirtschaft und auch Biogasproduktion, zur Verringerung der CO2-Emissionen und Stickstoffanreicherungen im Boden bzw. Grundwasser sowie zur Steigerung der Biodiversität muss der Aufwuchs von Blühpflanzen gefördert werden. Möglich wäre das beispielsweise mit einer Sondervergütung von 2 bis 3 ct/kWh im EEG. Dadurch wären mehrjährige Wildpflanzenmischungen konkurrenzfähig zum Mais.

Nachwachsende Rohstoffe sind mehr als nur Mais

Prof. Dr. Walter Stinner, DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum GmbH

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Mit 1,6 Mio. ha Hauptfruchtfläche werden ca. 10 % der Agrarflächen in Deutschland für Nachwachsende Rohstoffe genutzt. Bei den NaWaRo dominierend ist die Maissilage, die auch in der Vergangenheit zu der „Tank oder Teller“ Diskussion bei dem Anbau von Energiepflanzen geführt hat. Die Biogaserzeugung ist jedoch nicht an den Mais gebunden, ganz im Gegenteil. Für die Erzeugung von Biogas können verschiedene Substrate verwendet werden. Die Substratauswahl ist dabei so vielfältig wie keine andere agrarische Nutzung, dadurch lässt sich die Biogasproduktion auch sehr flexibel in die Landwirtschaft integrieren. So können Spreu, Rübenblatt, Gülle inklusive Festmist, Zwischenfrüchte, Stroh und Blühpflanzen für die Vergärung genutzt werden. Werden diese Substrate zu höheren Anteilen genutzt, so können diese zur Umsetzung von agrarpolitischen Zielen für höhere Biodiversität, besseren Gewässerschutz und erhöhten Klimaschutz eingesetzt werden.

Wildpflanzenmischungen zum Erhalt der Biodiversität

Prof. Dr. Tillmann Buttschardt, Universität Münster

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Der Biodiversitätsrückgang ist eine genauso große Krise wie der Klimawandel. Um das Artensterben aufhalten zu können müssten 25 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen für den Artenschutz bereitgestellt werden z.B. mit Brachflächen, Blühflächen und Ackerwildkräutern.

In dem Projekt „Grünschatz“ wurde in einem Feldtest von 2015 bis 2019 eine mehrjährige Wildpflanzenmischung als Alternative zum Mais für die Bioenergie auf deren Beitrag zur Artenvielfalt untersucht. Die Trockenbeständigkeit der Wildpflanzen hat besonders in den Dürrejahren 2018/19 den Vorteil dieser Pflanzen gegenüber Mais gezeigt. Auch haben sich im Vergleich zum Mais wesentlich mehr Insekten ansiedeln können. Auch Vögel haben die Blühlandschaft als Brut- und Resthabitat genutzt. Die Pflanzenmischung können 924 Insektenarten nutzen, wovon 668 im Feldtest nachgewiesen werden konnten, unter anderem auch rote Liste Arten.