Wie viel EEG braucht Biogas überhaupt noch?

Die Betreiber von Biogas-Speicherkraftwerken melden neue Erlös-Rekorde. Eine hochflexible Biogasanlage kratzte erstmals an 15 Ct pro Kilowattstunde ausgezahlten Zusatzerlösen. Schon der Marktmittelwert des Jahres 2022 kletterte inzwischen über 20 Ct, der Juli lag über 30 Ct/kWh, der August liegt bisher schon über 40 Ct/kWh.

Das führte zur Frage, ob Biogasanlagen denn wirtschaftlich überhaupt noch auf das EEG als Finanzierungsquelle angewiesen sind. Die Antwort wurde im Flexperten-Sommerworkshop untersucht …

Gut 40 Teilnehmer aus verschiedenen Interessensgruppen trafen sich in Kassel zum Austausch: „Wie viel EEG braucht Biogas überhaupt noch? Die Antwort vorweg: Biogas ist heute auch ohne EEG und die Marktprämie wirtschaftlich. Doch niemand weiß sicher, wie hoch die Erlöse in zwei oder fünf Jahren sein werden. Deshalb sind Investitionen in neue Biogasanlagen oder die Weiterentwicklung von Biogasanlagen und Speicherkraftwerken ohne eine Absicherung durch das EEG nicht bei Banken finanzierbar. Sie müssten zum größten Teil aus Eigenmitteln oder Risikokapital getragen werden – was sie deutlich verteuern würde. Kurz: Das EEG wird weiter benötigt, um die Risikokosten zu senken.

Strommarkt

Tatsächlich sind die mittleren Stromerlöse in den vergangenen Monaten so weit gestiegen, dass Biogasanlagen kaum noch Marktprämien erhalten. Das liegt daran, dass die zugrunde gelegten monatlichen Marktmittelwerte mit über 20 Ct/kWh höher liegen als der „anzulegende Wert“ für Biogasanlagen, der der EEG-Festvergütung von meist um 20 Ct/kWh entspricht. Die Marktprämie aus dem EEG-Topf wird nur ausgezahlt, wenn der Marktmittelwert die zugesagte Vergütung nicht erreicht. Überschüsse dürfen behalten werden. Deshalb fragen sich derzeit viele Betreiber, ob sie den Strom aus dem Terminmarkt besser schon heute verkaufen, da für das kommende Jahr bis über 30 Ct/kWh geboten werden.

Börsenpreise-langfristig

Wert der Flexibilität

Betreiber von flexiblen Speicherkraftwerken lächeln fein über diese Frage. Sie erhalten nicht nur den abgesicherten Monatsmittelwert am Spotmarkt, sondern auch die Erlösverbesserung durch die flexible Einspeisung. Bei hoch flexibler Einspeisung und intelligenten Fahrplänen können die ausgezahlten Zusatzerlöse über 10 Ct/kWh liegen. Damit kommen die Betreiber auf Stromerlöse bis 40 Ct/kWh – noch ohne den Wärmeverkauf.

Flex-Zusatzlöse

Klare Statements der Akteure:

  • Je mehr BHKW-Leistung am Netz ist, desto besser. Mehr als 2 Starts am Tag oder sehr kurze Laufzeiten sind selbst bei Teilnahme am Intradayhandel nicht wirklich nötig.
  • Längere Ruhezeit durch große Gasspeicher zahlen sich rasch aus – 60 Stunden Reichweite sind unbedingt zu empfehlen. Das mindert die Starthäufigkeit und verbessert die Erträge.
  • Dynamische Fütterung und angepasste Biogasproduktion wird in Zukunft immer häufiger die Ruhereichweite verlängern.
  • Die Reichweite der Wärmepuffer kann durch andere Wärmequellen geboostert werden – so z.B. durch Power-to-Heat oder durch Wärmepumpen.

Regelenergie hat sich ebenfalls im Preis verbessert – wurde aber von den Ertragserwartungen im Fahrplanbetrieb weit abgehängt.

Gasspeicher-Tüttendorf
Gasspeicher Tüttendorf, ASL
 

Wie geht es weiter?

Wie lange werden diese hochprofitablen Zeiten dauern?

Nach politisch schweren Zeiten ist die Biogasbranche von großer Skepsis über die volatilen Märkte geprägt. Können Wasserstoff, billige Batterien oder das Demand Side Management den flexiblen Biogasanlagen den Rang ablaufen?  Welche Auswirkungen haben Veränderungen im Strommarkt, wie PPA oder Marktdesign auf die Stromerlöse von BHKW? Was bewirken negative Strompreise oder eine Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen?

Nach Einschätzung von Strommarktexperten wird sich der Markt tendenziell teilen: In das Marktsegment für die Investitionsfinanzierung in sehr preiswerte fluktuierende erneuerbare Energien über EEG oder PPA als Terminmarkt für Grünstrom einerseits, und das Marktsegment für Aufbau und Betrieb der Restlastdeckung – den klassischen Spotmarkt.

Dort könnten sich die Preise ähnlich bilden wie heute: Bei Überfluss von volatilen Erneuerbaren liegt der Preis knapp über Null, regelbare Erzeuger pausieren, die flexiblen Nachfrager decken sich ein. Bei hoher Restlast müssen die verbleibenden Erzeuger liefern und der Preis richtet sich nach dem teuersten Kraftwerk – abhängig von den Brennstoff- und Emissionskosten.

Windernte-Erlöse

Derzeit kommt es noch zu keinen EE-Übermengen; die Preise sind noch jederzeit hoch. Am Terminmarkt wird ein anhaltend hoher mittlerer Stromerlös auch noch in den kommenden zwei Jahren 2023 und 2024 erwartet – allerdings mit sinkender Tendenz. Die Futures im Kalenderjahr 2025 liegen sowohl bei Erdgas als auch bei Strom wieder so tief, dass die Marktprämie wieder greifen dürfte.

Das deckt sich mit der Fundamentalanalyse:

Jede weitere Steigerung der Einspeisung von Wind und Gas wird die Zahl der Stunden vermehren, in denen der Marktwert nur noch um Null liegen wird. Was die Wind- und Solarbetreiber auf lange Sicht zu Subventionsempfängern macht, senkt den Marktmittelwert am Spotmarkt nachhaltig. Strom dürfte auf lange Sicht eher billiger werden – wegen der günstigen Kosten der Erneuerbaren.

Restlast_Biogas_BHKW

Allerdings bleibt eine erhebliche Residuallast (Restlast) übrig, die mit regelbaren Kraftwerken gedeckt werden muss. Nach Abschaltung von Kohle und Atomkraftwerken bleiben dafür noch Gasturbinen, Batterien – und flexible Biogas-BHKW. Hier ist das Preisniveau widersprüchlichen Einflüssen ausgesetzt:

Fossile Energien werden im Preis verfallen, die Emissionszertifikate steigen.

Sobald die europäischen Märkte genügend neue Quellen erschlossen haben, das russische Gas an politisch unempfindliche Abnehmer fließt, und der Gasverbrauch wegen der hohen Kosten vielerorts sinkt, wird sich auch das strukturelle Überangebot fossiler Energiequellen bei der Preisbildung wieder zeigen: Es gibt viel mehr Anbieter, als unser Planet vertragen kann. Dann muss der Zertifikatehandel zeigen, ob er politisch robust genug ist. Bei immer knapperem Abstand zur 1,5°-Grenze müssen die THG-Emissionen so teuer werden, dass die Marktakteure weitere Emissionen vermeiden.

Es könnte eine schnellere ordnungspolitische Lösung für die Klimakatastrophe geben – aber nichts deutet darauf hin, dass es dazu kommt. Es dürfte schwierig genug sein, die Emissionszertifikate in Grenzen zu halten und das auch wirksam zu überwachen. Dann werden die weltpolitisch erlaubten THG-Emissionsrechte sich rasch verknappen und rasant teurer werden.

Das wird die Preise für fossiles Gas und den daraus erzeugten Strom weit in die Höhe treiben – eine recht sichere Basis für Spitzenlaststrom aus Speicherkraftwerken. Das geht so lange weiter, bis sich auch die Alternativen rechnen: gespeicherter EE-Strom, Strom aus BHKW mit grünem Wasserstoff, oder doch fossile Erzeugung mit CCS?

Das kann niemand wissen.

Es spricht viel dafür, dass der Wettbewerb zwischen inkrementellen, schrittweise verbesserten Technologien fortgesetzt wird. Bis dieser Wettbewerb in Gang gekommen und entschieden ist, dürften die Erlöse für Biogas-getriebene Speicherkraftwerke gute Chance haben, ohne EEG-Zuschüsse auszukommen – wenn die Investitionen für die vielen anzusprechenden Akteure finanzierbar sind. Durchaus denkbar, dass es zu technologischen Sprüngen und disruptiven Entwicklungen kommen wird, wie sie von Robert Wasser dargestellt wurden. Die werden allerdings auch immer eine Weile brauchen, bis sie im Markt ankommen sind.

Deshalb ist die Politik gut beraten, den Ausbau von Biogas, den Zubau von gesicherter Leistung in dezentralen Speicherkraftwerken, und auch die ökologische Weiterentwicklung zu fördern. Zum Glück ist die aktuelle Bundesregierung derzeit auf einem guten Weg dorthin.

Wärmenutzung und -erlöse

Weiteres Thema waren die Wärmeerlöse. Hier liegt die Bandbreite der Erfahrungswerte noch weiter auseinander. Grundsätzlich wird zwischen der Einspeisung in fremd betriebene Wärmenetze oder eigenen Wärmevertrieb unterschieden. Der Preisaufschlag für den „Einzelhandel“ beträgt 3 bis 5 Ct/kWh. Wenn der Betreiber auch das Wärmeverteilnetz verlegt, steigen die Preise nochmals. 

In konventionellen Wärmenetzen liegen die Vollkosten je Kilowattstunde schon heute über 20 Ct/kWh. Für Ökoenergie im Wärmemarkt wird – im Gegensatz zu Grünstrom – bisher kein Aufpreis gegenüber fossiler Wärmelieferung erzielt. Es kommt bisher immer noch mehr darauf an, das Vertrauen in die Lieferzuverlässigkeit aufzubauen und durch transparente Vertragsbedingungen zu langfristigen Verträgen zu kommen.

Nahwärme-Kostenvergleich
Nahwärme-Kostenvergleich, C.A.R.M.E.N. e.V.

Auf der Grundlage liegen die Wärmeerlöse nach Abzug der Netzbetriebskosten schon über 10 Ct/kWh. Wer das unternehmerische Risiko an einen Wärmenetzbetreiber oder eine Wärmenetzgenossenschaft abgibt, rechnet heute eher im einstelligen Cent Bereich. Alle Akteure erwarten einen Aufwärtsschub durch die absehbare Gaspreissteigerung und die inzwischen eingeführte Gasumlage zur Marktstabilisierung. Experten erwarten einen Großhandelspreis für Wärme aus Biogas in Nahwärmenetzen zwischen 5 und 10 Ct/kWh; in eigenen Gasnetzen von 10 bis 14 Cent/kWh.

Eine Empfehlung ist, die Preise mit einem Dämpfungsfaktor an Marktindikatoren zu knüpfen, wie die Summe aus Gaspreis inklusive Emissionshandelspreis.